Erklärung: Der Begriff communio sanctorum wurde im Laufe der Kirchengeschichte von der Kirche stets verschieden aufgefasst: als Neutrum, also „Gemeinschaft an dem Heiligen“, das heißt beispielsweise an den Sakramenten, als „Gemeinschaft mit den Heiligen“, also den bereits gestorbenen Menschen oder als „Gemeinschaft der Heiligen“, das heißt der Kirchenglieder untereinander. In dem Artikel möchte ich explizit nur auf die letzte Verständnisweise eingehen.
Ich denke, dass jeder Mensch heilig sein kann, denn die Gnade, durch die Gott uns heiligt, also an seinem Heil Anteil haben lässt, ist größer als Kategorien, in denen wir Menschen denken können. Die Gnade Gottes gibt es nicht in der Größe eines Schuhkartons, von der man weiß, dass man sie gut aufteilen muss und selbst wenn, dann hat bestimmt nicht die Kirche darüber zu entscheiden, wer im Kreise der Erwählten lebt. Gnade ist nicht irgendwann aufgebraucht, sie richtet sich nicht nach Angebot und Nachfrage, sondern ist für jeden Menschen zugänglich. Vielleicht ist sie sogar eine ganz andere Art von Angebot und Nachfrage, die unser heutiges gesellschaftliches Verständnis sprengt, weil Gott auf jede Nachfrage mit reichlich Angebot reagiert.
Es gibt eigentlich keinen größeren Begriff als den Begriff der Heiligkeit, denn biblisch ist heilig einfach gleich Gott, so heißt es im Levitikusbuch. Die Menschen, die den Heiligkeitsbegriff dann aber verwendeten, haben ihn benutzt, um eine exklusive Gemeinschaft aufzubauen. Dies geschah beispielsweise durch die Ernennung von Heiligen, die besonders tugendhaft gelebt haben sollen. Der Begriff wurde verwendet, um zu signalisieren: Du kommst hier nicht rein. Aus dem Begriff der Heiligkeit wurde in der Geschichte der Kirche teilweise sogar ein Feindbild kreiert, eine Art Instrumentalisierung zur Sicherstellung der Kanalisierung des Begriffs zu Gunsten der Interessen der Kirche als Institution.
Der Vatikan hat sich in den vergangenen Wochen erneut gegen eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ausgesprochen. Auch in manchen evangelischen Landeskirchen wird Liebe nicht gleichwertig als Liebe verstanden. Derzeit gibt es in Deutschland gesonderte Gottesdienste, in denen homosexuelle Menschen trotz vatikanischer Haltung gesegnet werden und der WDR feiert das unter dem Titel „Liebe siegt“. Eine Perversion, dass sich liebende Menschen nun auch noch darüber freuen sollen, ausnahmsweise nicht trotz der Haltung der Katholischen Kirche zum Gottesdienst zu gehen, sondern endlich mal explizit eingeladen werden. Aber Gott hat diese Absage an den Menschen nicht gesprochen, das waren Menschen. Ein Exeget aus Wien warnte kürzlich davor, die Zeichen der Zeit als heilig anzusehen und damit die kritische Absicht der Bibel zum Schweigen zu bringen. Er argumentiert, dass es für eine Segnung homosexueller Menschen in der Bibel keine Anhaltspunkte gebe, ergo verteidigt er die Haltung des Vatikans zum Segen und spricht ihr eine solide biblische Grundlage zu. Für mich klingt das so, als ob etwas ganz anderes Elementares der Bibel zum Schweigen gebracht wird: Die befreiende Botschaft, die die gesellschaftlichen Grenzen sprengt, Menschen lieber integriert als ausgrenzt und dem gerechtfertigten Menschen ein Leben in Freiheit zutraut. Es gibt biblisch keine direkten Anhaltspunkte für eine Segnung homosexueller Paare. Aber bedeutet das ein Verbot?
Gehen wir noch einmal in das Buch Levitikus, so begegnet uns eine der zentralen Stellen, die gerne verwendet wird, um gegen Homosexualität zu argumentieren: „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel.“ (Lev 18,22). Auf die Diskussion, inwieweit biblische Stellen aus dem Kontext herausgerissen wie bei einem schlechten Bedrohungsbrief aus Zeitungspapier überhaupt für eine heute gesellschaftlich relevante Fragestellungen verwendet werden können, möchte ich jetzt nicht eingehen. Naheliegend erscheint es mir aber, anzuerkennen, dass das, was da in Levitikus beschrieben wird, nichts mit einer liebevollen Partnerschaft zwischen zwei Menschen in der heutigen Zeit zu tun hat. Zur Zeit der beiden Testamente gab es schon allein kein Eheverständnis zwischen Frau und Mann, so wie wir es heute leben, erst recht gab es öffentlich keine Beziehung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Menschen, die auf Augenhöhe stattfand und nicht mit Abhängigkeiten und Gewalt zusammenhing. Folgen wir exegetisch dieser Argumentationsweise, die nur beleuchtet, was direkte Anhaltspunkte findet, dann dürfen wir uns auch heute nicht gegen Sklaverei und für Menschenrechte im Allgemeinen und Unbedingten einsetzen oder elektrische Aufzüge in Kirchengebäuden segnen (Ja, das passiert wirklich!). Im Übrigen stellt sich die Frage, wieso das Liebesgebot, welches ebenfalls aus Levitikus stammt, nicht als Anhaltspunkt allein schon ausreichen darf.
Wenn ich persönlich heute in die Kirche gehe und bekenne: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen“, dann denke ich nicht an meinen verstorbenen Opa. Ich denke an alle, die sich bei diesem Ausdruck fragen, was das überhaupt sein soll. Wenn die Gemeinschaft der Heiligen in der jetzigen, vatikanischen Haltung der Kirche im Glaubensbekenntnis angesprochen wird als Zeichen des Glaubens, dann ist sie für mich eine Haltung der Ausgrenzung und der Diskriminierung. Dann sollte sich gefragt werden, wer da überhaupt von irgendeiner Form von Gemeinschaft spricht. Gemeinschaft der Heiligen bedeutet für mich, Heimat zu finden in der Kirche, die für andere da ist. Wenn sich Menschen aus dieser Heimat verabschieden, weil sie sich nicht zuhause fühlen dürfen, dann wirkt dieses Haus für mich leer und kalt und nicht nach Christus. Ich danke allen Menschen, die sich in Kirche für die LGBTQIA+ Gemeinschaft einsetzen und lieber mit ihrem Gott über Mauern springen, anstatt tatenlos beim Bauen von Grenzen zuzusehen. Wir sind viele, wir können begründen und wir können verändern.