Samuel Beckett, Edmund Burke, Oscar Wilde, Robert Emmet – Namen, um die man nicht herumkommt, wenn man am Trinity College Dublin studiert. Bis heute schmückt sich die älteste Universität des Landes mit der Strahlkraft der großen Namen. In meinen Ohren klingt das alles ein bisschen too much und ist sicher kein Understatement, aber auch für Traditionsverweiger:innen und für die vom Name-Dropping Unbeeindruckten gibt es Gründe, sich für ein Auslandssemester in Irland zu entscheiden.

Das Trinity College ist die einzige protestantische Universität im sonst überwiegend katholisch geprägten Irland. Diaspora pur also. Die School of Religion, fusioniert aus dem Loyola Institute und der Irish School of Ecumenics, betrachtet Religion v.a. aus einer interreligiösen und politisch-säkularen Perspektive, die im deutschsprachigen Theologiestudium m.E. oft fehlt. Intercultural Theology und International Peace Studies sind die beiden Masterstudiengänge, in denen während eines ERASMUS-Aufenthalts wahlweise Veranstaltungen besucht werden können, die sich vorrangig mit globalen Religionskonflikten im Kontext universaler Menschenrechte auseinandersetzen. Harter Tobak, aber die Konfrontation mit der politischen Realität und ihren religiösen Verflechtungen ist auch theologisch herausfordernd und spannend. Irland scheint aufgrund seiner Geschichte zur Nachbarinsel und dem Grenzkonflikt mit Nordirland der perfekte Ort zu sein, um sich diesen Verflechtungen bewusst zu werden.

Stadt und Land sind außerdem geprägt von kulturellen Umbrüchen. Insbesondere die jungen Iren und Irinnen sind der katholischen Kirche, der Church of Ireland, häufig kritisch gegenüber eingestellt. Weil die irische Kirche immer noch Teile des Schulsystems organisiert und sich auch häufig gegen die eher liberale Regierung stellt, z.B. gegen die „Ehe für alle“, die seit 2015 in Irland eingeführt wurde, wird sie als konservativ vehement abgelehnt. Weitere Transformationsprozesse lassen sich auch in der Stadt selbst beobachten. Der Wandel Dublins vom Zentrum des Brauwesens hin zur IT-Hauptstadt Europas macht sich nicht nur städtebaulich bemerkbar. Google, Microsoft, Facebook – sie alle haben ihren europäischen Sitz in Dublin. Außerdem fördert die zunehmende Anwesenheit großer Finanzdienstleister die Wirtschaftskraft des Landes und simultan die soziale Ungleichheit innerhalb der irischen Gesellschaft, v.a. was das Thema Wohnraum anbelangt. Unternehmen kaufen Wohnungen für ihre Mitarbeitenden auf, befördern somit den Wohnraummangel und verursachen horrende Mietpreise. Ein Zimmer im privaten Studierendenwohnheim kostet mindestens 1000€ im Monat. Privatzimmer sind jedoch deutlich günstiger und eine gute Alternative. Ein Stipendium ist dennoch hilfreich [notwendig], um das kostspielige Leben in Dublin zu finanzieren.

Aber nicht nur politisch ist Irland aufregend. Wer sich vergnügen will, kann sich abends im Pub mit den Kommiliton:innen austauschen. In der Stadt, in der alle Singer-Songwriter zu sein scheinen, kann man bei einem Glas Guinness die Sorgen vergessen und sich gleichzeitig von den Tönen irischer Flöten massakrieren lassen. Eine Partie Gaelic Football schauen, oder sich grölend in den Armen liegen – das ist der Ausdruck der irischen Seele, die dem Opportunismus zu trotzen scheint. Subtiler Alkoholismus hin oder her, es scheint obligatorisch, die getane Arbeit im Pub zu begießen. Vielleicht ist sie sogar erst dann getan. Nächtliches Flanieren auf Dublins Touristenmeile, der Temple Bar, ist sicherlich nicht der authentischste Fleck der Stadt, aber Ausdruck der Abhängigkeit vom Tourismus. Umso geduldiger wird hier die schnelle Überforderung bei der Bier-Auswahl verständnisvoll in Kauf genommen, was man diesem Ort zugutehalten kann. Im Norden der Stadt kostet das Bier jedoch nur halb so viel und es geht ein wenig ruhiger zu.

Das Studierendenleben in Dublin findet jedoch hauptsächlich auf dem Campus statt. Zu Beginn jeden Wintersemesters besteht die Möglichkeit, sich in studentisch organisierte Societies einzuschreiben, die regelmäßige Veranstaltungen über das gesamte Semester hinweg organisieren. Bei insgesamt 120 Societies, die von Debattierclubs bis zur Circus-Society reichen, und rund 50 Sport-Clubs, sollte für Jede:n etwas dabei sein. Eine gute Möglichkeit, mit Menschen mit den gleichen Interessen in Kontakt zu kommen, sich auszutauschen und Freundschaften zu knüpfen. Wird einem das Stadttreiben zu bunt [oder zu grau], gibt es schnell die Möglichkeit mit der Dubliner Vorortbahn DART die Stadt zu verlassen. Sei es ans naheliegende Meer oder in die Wicklow Mountains zum Wandern – grün ist es in jedem Fall. Auch ein Ausflug an die ländlichere Westküste lohnt sich für diejenigen, die Postkartenmotive und Wohlfühltourismus lieben.

Wer interessiert ist, über den theologischen Tellerrand hinaus zu blicken, christliche, oder allgemein eurozentrisch geprägte Vorstellungsbilder kritisch zu durchleuchten, Religion als Machtfaktor und repressive Gewaltstruktur zu betrachten, aber gleichzeitig eine gute Zeit haben möchte, ist am Trinity College Dublin gut aufgehoben.

Sláinte.

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