Wie kann eine Kirche von Morgen aussehen? Und was können wir in Deutschland von der anglikanischen Kirche lernen, die durch massive Austrittszahlen schon früh zu Innovationen gedrängt wurde.
Was ist Fresh X?
Eine Antwort ist das Konzept der fresh expressions of church. Sie verstehen sich als ergänzende Ausdrucksform von Kirche. Statt immer einzuladen, die Menschen also zu sich zu kommen zu lassen, wollen sie dahin gehen, wo die Menschen sind. Von der Komm-Struktur zur Geh-Struktur. Eine mögliche Definition, die sich noch auf der alten Website des fresh-x Netzwerks in Deutschland finden lässt, lautet: „Eine Fresh X ist eine neue Form von Gemeinde für unsere sich verändernde Kultur, die primär mit Menschen gegründet wird, die noch keinen Bezug zu Kirche und Gemeinde haben.“ Zunächst geht es darum genau hinzuhören. Was sind die Bedürfnisse der Menschen vor Ort? Wie kann ich im zweiten Schritt dazu beitragen, dass diese Bedürfnisse gestillt werden? Es soll so eine Gemeinschaft entstehen, in der dann auch die existentiellen Fragen gestellt werden können. So kann aus der Gemeinschaft, durch einen entdeckten Glauben, auch eine Gemeinde entstehen. Laut diesem Konzept ist Gottesdienst nicht nur das Geschehen am Sonntagmorgen, sondern auch die Hinwendung zum Nächsten.
Das Konzept in der Praxis
Dieses Konzept habe ich auf einer Studienfahrt nach London kennengelernt.
Ein innerer Zwiespalt begleitete die Zeit. Rückblickend betrachtet spiegelte er sich auch gut sichtbar in den Projekten wider. Grundlegend stimme ich dem Ansatz komplett zu, dass es neue Ausdrucksformen und Orte für Kirche braucht. Dass Gottesdienst eben nicht nur Agende I heißt (also die Art wie Gottesdienst am Sonntagmorgen gefeiert wird), sondern alle Praktiken umfasst, in denen dem Wirken Gottes durch, mit und an den Menschen nachgespürt wird.
Ein großer Graben?
Der Zwiespalt bezieht sich eher darauf, mit welcher Absicht den Menschen geholfen wird. Geht es darum zu helfen, oder darum, dass die Menschen ihre Christlichkeit entdecken? Ist also der Schritt von der Gemeinschaft zur Gemeinde optional oder notwendig? Für mich ist das der Prüfstein, an dem ich zu erkennen versuche, ob es um den Menschen geht oder seine Kirchensteuer. Will ich missionieren oder helfen?
Oder ein schmaler Grat?
Das scheint vielleicht etwas zu dualistisch. Kann man Mission und Hilfe nicht auch verbinden? Ich denke nicht. Natürlich ist es nicht verkehrt, wenn Menschen ihren Glauben entdecken und klar kann man ihnen dabei auch helfen, wenn sie das wollen. Aber es gibt eben einen Unterschied zwischen bezeugen und überzeugen. Wenn ich auf Nachfrage erzähle, warum ich glaube und was mir daran guttut, ist das etwas anderes, als wenn ich denke, dass es dem anderen guttut und es ihm deshalb erzähle. Der Mensch kann ja sowieso keinen Glauben wirken. Deshalb lieber Helfen zur Selbsthilfe des Menschen. Gott wird den Menschen schon zu Gott führen, wenn es so sein soll. Dafür braucht Gott keine Hilfe. Die Hilfe braucht zunächst der Mensch und dadurch ist Gott mehr gedient als durch viele ungefragte Worte über Gott.
„Mind the gap“…
(auf Deutsch: Beachten Sie den Spalt zwischen Zug und Bahnsteinkante)
…schallt es einem in London bei jeder einfahrenden U-Bahn entgegen. Beachte die Lücke.
Nun aber erstmal viel Spaß mit ein paar Bildern: