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von dort wird er kommen

Wir blicken aus dem 21. Jahrhundert auf eine Geschichte zurück, in denen unzählige Reiche, davon einige „heilige“ auf- und wieder untergegangen sind. Fast immer waren dazu brutale Kriege nötig, bei denen Menschen getötet, versklavt oder misshandelt wurden. Als Zyniker*in ließe sich hier anfügen, dass es sich hier um ein notwendiges Übel handele, um die Macht auszubauen und ein Weltreich zu errichten. Aber auch nach der Expansion machte die Gewalt an den Grenzen des Reiches nicht Halt.  Vielmehr wurden und werden auch innerhalb eines Reiches häufig Minderheiten gewaltsam unterdrückt. Dabei ist es fast beliebig, ob es sich um religiöse, ethnische oder politische Minderheiten handelt.  Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus befremdlich, wenn das Eintreten des Reiches Gottes erwartet wird. In meiner Gottesvorstellung ist Gott doch gerade kein rachsüchtiger Herrscher, der Minderheiten vernichtet. Wenn die Redeweise vom Reich Gottes beibehalten werden soll, macht der Ausspruch nur Sinn, wenn das Reich sich dabei signifikant von allen menschlichen Reichen unterscheidet und diesen diametral gegenübersteht. Dies macht zugleich aber auch deutlich, dass die Kirche als menschengemachte Institution, genauso wie jede andere staatliche Macht, dieses Reich nicht darstellen kann.

Ein Blick in die Nachrichten macht deutlich, dass unsere Welt weit davon entfernt ist, ein Reich Gottes zu verkörpern. Stattdessen sind Menschen- und Umweltzerstörung alltägliche Erfahrungen in dieser Welt. In diesem Sinne drückt der Ausruf, die Hoffnung auf eine Veränderung der Verhältnisse, auf eine bessere Zukunft aus. Aber bloße Hoffnung auf eine bessere Welt in der unverfügbaren Zukunft? Dies wäre eine sehr unbefriedigende Antwort für alle Menschen, die in Unterdrückung leben. Für all jene, die täglich mit den Folgen dieser Zerstörung leben müssen und dadurch in ihrer Existenz gefährdet sind. Wir, als europäische Christ*innen, sind von dieser Lebensrealität meistens sehr weit entfernt. Für uns lebt es sich mit unseren Problemen und Sorgen doch ganz angenehm. Zumindest so angenehm, dass uns das Warten auf eine gerechte Welt nicht weiter schwerfällt.

Die Formulierung „er wird kommen“, enthält jedoch auch einen weiteren, drohenden Aspekt. Hierbei spielt wieder das Bildfeld von kriegerischen und gewaltvollen Eroberungen eine große Rolle. Was passiert mit den Menschen, wenn Gott die Herrschaft übernimmt? Auch wenn die Gottesvorstellung eines strafenden Gottes bereits abgelehnt wurde, sorgt die Formulierung bei mir für Unbehagen. Sie regt an, darüber nachzudenken, wie denn das Verhältnis Gottes zu mir in diesem neuen Reich wäre.

Er wird kommen. Das ist eine hoffnungsgebende Ankündigung für alle unterdrückten Menschen dieser Welt. Ihre Unterdrückung soll nicht das letzte Wort bleiben. Das ist aber auch eine Aufforderung zur Selbstreflexion an alle, die aufgrund ihrer privilegierten Situation eher zu den Unterdrückenden gehören. Kommen wir unserer Verantwortung nach, sodass wir vor Gott unser Gesicht bewahren könnten?

Dennoch erscheint es zu einfach, wenn man das Reich Gottes ausschließlich in die undefinierbare Zukunft verlegt. Schließlich ist die Geschichte von Jesus Christus der Ausdruck für die Erfahrung, dass Gott auch schon in der irdischen Welt präsent ist.

Aus diesem Vertrauen in Gott können und sollen wir Verantwortung übernehmen für unsere Mitwelt. Dabei wird trotz bester Absichten nicht alles gelingen und mein Einfluss wird gerade angesichts einer globalen Welt begrenzt sein, aber trotzdem vertraue ich darauf, dass am Ende die Gerechtigkeit steht. Der Ruf „Er wird kommen“ drückt für mich aus, dass die Durchsetzung dieses utopischen Reich Gottes nicht in unserer Hand liegt. Ebenso wie Gott für uns nicht verfügbar ist, ist auch das Reich Gottes nicht durch Menschen herbeiführbar. Die Wahrnehmung der kleinen Zeichen Gottes stellt uns dabei eine Vision einer vollständigen Durchdringung der Welt im Großen vor das innere Auge und weckt so die Sehnsucht nach Gottes Reich. Auf dass er und sein Reich komme.

All die Reiche menschlicher Gewalt
Trotz ihrer Repression
Sind irgendwann Vergangenheit
Und machen frei den Thron

All die Reiche menschlicher Gewalt
Option für alle Armen
Für alle andern im Komfort
Ein Gedanke zum ermahnen

Gottes Erfahrung in der Welt
Führt uns das Andere vor Augen
Und zeigt was uns noch alles fehlt
Verwirklichung im Glauben?

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