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Papa unser im Himmel?

In der Kirche wird oft von Vätern gesprochen. Vater unser im Himmel… Stammesvater Abraham, oder Kirchenvater Augustin. Selten wird gefragt: Warum eigentlich?

Okay, Abraham und Augustin waren Männer, aber Gott? Ist Gott wirklich männlich? Wohl eher nicht. Gott als Mann oder als Frau zu bezeichnen ist, wie eine Schublade zu öffnen und Gott hineinzupacken. Schuld daran ist nicht Gott, sondern die Schubladen, in denen wir denken. Wenn gesagt wird: „Vater unser“, meint ja wohl niemand: Gott hat mit meiner Mutter geschlafen und dabei wurde ich gezeugt. Was stattdessen gemeint sein könnte: Gott hat väterliche Eigenschaften. Aber was soll das sein? Väterliche Eigenschaften?
Dass in unserer Gesellschaft bestimmten Geschlechtern Eigenschaften zugeschrieben werden, ist nichts Neues. Das wird unter den Stichworten Klischee oder Stereotype auch seit langem kritisiert, hält sich aber hartnäckig. Aber selbst diejenigen, die glauben: „Männer sind so und Frauen sind so“, können nicht ernsthaft behaupten, Gott wäre nur männlich. Das hieße ja, all die angeblich weiblichen Eigenschaften von Frauen, wie Fürsorglichkeit und Empathie, würden wegfallen. Dies so zu vertreten, hieße dann auch, die Fähigkeiten und Eigenschaften Gottes zu beschneiden. Aber auch unabhängig von Gott ergibt die Einteilung von Eigenschaften in geschlechtliche Kategorien keinen Sinn. Das wird auch an der Sprache gut sichtbar: Adjektive, mit denen Eigenschaften bezeichnet werden, sind geschlechtsneutral, können mit allen Geschlechtern verbunden werden. Dies ist auch im Hebräischen und im Griechischen, den Sprachen, in denen die Bibel geschrieben wurde, der Fall. Also nochmal die Frage: Warum Gott Vater?

Das mag nun klingen wie ein*e cheesy Missionar*in mit flacher Theologie: Aber in dem Fall stimmt es. Jesus ist die Antwort. Zumindest zum Teil. Im Alten Testament findet sich die Anrede „Gott Vater“ kaum. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass der Pharao, unter dem die Israelit*innen als Frohnarbeiter*innen litten, sich als väterliche Gottheit verehren ließ. Der Gott der Israelit*innen ist ein Gegenentwurf dazu. Fürsorge statt Herrschaft. Kümmern statt Unterdrücken. Genau diesen fürsorglichen Aspekt greift Jesus auf. Er nennt seinen Gott Papa. Genau genommen nennt er ihn abba, was Papa auf Aramäisch, der Sprache Jesu, bedeutet. In dieser Niedlichkeitsform wird Nähe, Zärtlichkeit und Zuwendung zum Ausdruck gebracht. Da ist keine emotionale Distanz, sondern Liebe, die keine Geschlechter kennt.

Warum benutzt der biblische Jesus dann trotzdem die männliche Form? Nun ja, zum einen womöglich, weil er Gott eben als seinen Papa sieht. Zum anderen aber können wir die Kategorien und Begriffe der Bibel nicht einfach auf unsere Zeit übertragen. Sprache ist immer nur ein Versuch, einen Sachverhalt irgendwie in Worte zu fassen. Das Wort mag dasselbe sein, aber die Sache, die wir damit beschreiben, ist es noch lange nicht.

Wie ist es zum Beispiel bei der Liebe? Aufgrund unserer unterschiedlichen Erfahrungen damit können wir, selbst wenn wir dieselben Worte benutzen, dennoch etwas anderes meinen. Und für die Bibel kommt ja sogar noch der historische Abstand dazu. Die Autor*innen der Bibel wussten noch nicht, dass Geschlecht ein Spektrum ist und nicht nur zwei Pole. Die Liebe Gottes aber setzt sich für mich über all diese sprachlichen Probleme hinweg. Sie ist größer als unsere Worte und unsere Kategorien für sie. Mein Gott ist deshalb nicht nur ein Papa. Auch der Gott Jesu ist das nicht. Immerhin ist ja Jesus auch Gott, also Elternteil und Kind zugleich. Vor allem aber ist Gott kein Großvater, der, wie auf vielen Kirchenbildern, als ein alter Mann mit Krückstock und Nachthemd im Himmel sitzt. Mein Gott ist vielfältig, weder Mann noch Frau, sondern mittendrin, dazwischen, darüberhinausgehend.

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