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Auslandssemester Unterwegs

Sieben Wochen… Kloster

Grüne Wiesen, alte Gemäuer, sehr abwechslungsreicher Wind, und achja, so grüne Wiesen. Irland! Allein die Landschaft lässt nur allzu gut erahnen, was für eine reiche, spirituelle Mystik dieses Land zu bieten hat. Mich hat es sehr dorthin gezogen, aber ich war schon zu weit mit meinem Studium für ein Erasmussemester, und die Trimester Zeiten haben auch einfach nicht gepasst, also kam mir die Idee, einfach ins Kloster zu gehen! Nach ein bisschen ecosianen fand ich auch über ein Interview in der Irish Times den Namen, der mir direkt ins Auge sprang: St. Mary’s Abbey in Glencairn.

Es scheint mir ehrlich eine göttliche Fügung zu sein, weil schon nach wenigen Mails mit der Schwester, die das Gästehaus koordiniert, klar war, dass ich im März dahin kommen und freiwillig mitarbeiten kann, für Kost und Logis. Und so bin ich direkt nach dem Wintersemester auf die grüne Insel gekommen und war unfassbar überrascht, wie grün sie tatsächlich ist, und wie viele Farben Grün eigentlich wirklich hat. Die deutschen Winterwiesen sind im Vergleich dazu ehrlich grau. 😀

Und dann war ich da im Kloster! Ich war ziemlich unvorbereitet, außer dass ich mir etliche lange Röcke eingepackt habe (worüber sich dann auch eine Schwester lustig gemacht hat… Ich hatte den tollen Plan, mich ein bisschen anzugleichen, und sie nahm mich als Klischee-protestantische Frau wahr :D), aber ich wusste weder, wie viele Schwestern da leben, noch etwas über die Geschichte, geschweige denn die Ordenszugehörigkeit. Dafür war mein Lernerlebnis natürlich wundervoll vielschichtig und groß. In St. Mary’s Abbey leben ca. 27 Schwestern, sie sind Trappistinnen, also im Benediktinischen Orden und sind sehr autark. Sie haben eine eigenangebaute und dort auf dem Hof zur Wärmeerzeugung genutzte Biogasanlage, bereiten ihr eigenes Wasser auf und haben Schafe und ein Pony und einen Hund. Der Hund Rex war wundervoll, so ein lieber, alter Klosterhund, der zwar halbtaub und -blind war, aber sich riesig über Spaziergänge gefreut hat, auf denen er mir die Umgebung gezeigt hat. Und es war der erste Hund, der mich aktiv beim Spielen reingelegt hat und sich tierisch darüber amüsiert hat. 😀

Ich war in meiner Zeit dort als Volunteer vor allem für das Gästehaus zuständig. Das heißt, ich habe die Tische gedeckt, den Gästen Essen serviert (es gab eine Köchin und ein paar Schwestern, die in der Küche mitgearbeitet haben) und habe danach alles abgewaschen, viel sauber gemacht im Haus und die Toiletten, die Gästezimmer mit vorbereitet und Betten gemacht (auf die wundervolle irische Art <3). Alle Schwestern haben ein Amt inne, also einen Bereich, in dem sie arbeiten. Und alles, was ich gemacht habe, hat die Schwestern entlastet, wofür sie auch merklich dankbar waren. Ich hatte super viel Freude an dem Arbeiten, aber es war auch ehrlich anstrengend. Das ganze körperliche Agieren und dieser so strikte Tagesablauf hat viel Energie gezogen, weil ich es nicht gewöhnt war. Aber ich durfte dann auch so bei Projekten mitmachen, denn die Schwestern haben sich auch sehr eigenständig um den Erhalt ihrer Räumlichkeiten gekümmert, und so konnte ich mithelfen bei der Renovierung der Treppe, ich habe die Toilette gestrichen und einen Holzboden angeschraubt.

Zum Tagesablauf (der wirklich einfach jeden Tag so aussah, mit Ausnahme vom Wochenende, wo ein Nachmittagsgebet wegfiel):

4:10 Uhr Vigils

Dann zwei Stunden Zeit für Lectio Divina, ich habe entweder ein Buch gelesen oder Uni gemacht.

7:45 Uhr Lauds

8:10 Uhr Mass (mit Eucharist)

9:00 Uhr Frühstück

9:45 Uhr Terce

Dann Arbeit (Gästehaus säubern und vorbereiten oder Eucharist Bread oder Projekte).

12:40 Uhr Sext

13:00 Uhr Mittagessen

Dann Abspülen und Tisch decken etc.

14:45 Uhr None

Dann zwei Stunden frei (die ich den ersten Monat fürs Schreiben meiner Predigtarbeit genutzt habe)

17:15 Uhr Abendbrot

18:00 Uhr Vespers mit anschließendem quiet prayer

Dann in der Küche das Abendbrot aufräumen und für das Frühstück decken.

19:45 Uhr Compline

Und danach gehen alle Schwestern schlafen, weil der Tag ja dann schon um 4 Uhr wieder beginnt.

Ich habe dann auch irgendwann angefangen, um 4 Uhr aufzustehen und den ganzen Rhythmus mitzumachen. Also das frühe ins Bett gehen und (für meine Verhältnisse nach zu wenig Schlaf) wieder aufstehen und dann auch einfach wach bleiben, aber weil ich keinen Mittagsschlaf machen konnte/wollte, hat sich ein konstanter Schlafmangel eingeschlichen, der nicht so guttat. Es war unfassbar, was die Schwestern leisten! Ich kannte zwar den Spruch ora et labora, aber dass der Alltag dort im Kloster wirklich einfach aus Beten und Arbeiten besteht, das hätte ich gar nicht vermutet vorher. Es gab weder Wochenende noch Freizeit, es war ein dauerhaftes Arbeiten für die Gemeinschaft, ein sich weiterbilden und Bibel lesen und das Singen und Beten in der Kirche. Und das in diesem strikten Rhythmus!

Die Bewunderung für die Schwestern steigerte sich auch, als bei einem Vortrag und Gesprächsrunde über die neue Synode Themen gesammelt wurden, die dann der katholischen Kirche weitergegeben werden, und es war ein großer Fokus auf Frauen in der Kirche und Empowerment und die Gleichberechtigung und Anerkennung von Frauen. Es ist nämlich auch für mich echt krass zu sehen, was für starke und intelligente und großartige Frauen da im Kloster sind, aber sie nicht predigen oder Abendmahl feiern durften! Jeden Tag kam ein Priester von außerhalb, um die Messe zu feiern, was die Schwestern aber sehr dankbar angenommen haben. Sie gehen sehr gut und treu mit dem Stand der katholischen Kirche um, selbst wenn es manchmal nicht so aufregend mit den Priestern war.

Wenn es mal im Gästehaus nicht so viel zu tun gab, habe ich dann auch in den anderen Bereichen mitarbeiten können, vor allem im Eucharist Bread Department, wo Hostien hergestellt wurden! Das war sehr cool, das erste Mal, dass ich die Hostienproduktion erlebt habe und helfen durfte! Sehr meditative Arbeit. Ich habe dann auch immer Mal die kaputten Hostien, die wir aussortieren mussten, gesnackt. Finde ich tatsächlich lecker. 😀 Im Gottesdienst habe ich das Abendmahl nicht erhalten, also statt Leib Christi in der Hostie „nur“ den Segen. Nicht nur, weil ich evangelisch bin und der Priester mir das Brot gar nicht geben dürfte, sondern tatsächlich auch aus Respekt vor dem katholischen Glauben der Schwestern, dass Jesus als body, soul, spirit und Divinity in dem Brot ist. Für mich ist es eher ein symbolischer Akt, bei dem es um Erinnerung und die Gemeinschaft geht, aber ich muss sagen, dass es für mich auch sehr besonders war, jeden Tag (jeden einzelnen Tag noch vor dem Frühstück!!) Abendmahl zu feiern und die Schwestern dabei zu beobachten, wie sie die Hostie aufnehmen. Es war eine sichtliche Einigung und Annahme von Christus in den Körper, und allein dabei zu sein hatte für mich etwas Heiliges und Besonders.

Ich habe mich auch sehr daran gewöhnt, sieben Mal am Tag in der Kirche zu singen und die Psalmen zu beten. Die Melodien, mit denen das geschah, haben sich so tief eingebrannt. Und mir ist so sehr aufgefallen, dass die Schwestern (und auch die katholischen Gäste) sehr viel mehr auswendig konnten als ich! Nicht nur den Rosenkranz, sondern auch diese wichtigen biblischen Texte wie das Benedictum, Magnificat oder Nunc Dimittis. Es ist so schön und auch sehr heilsam, glaube ich, so einen Schatz an abrufbaren Gebeten und Gesängen auswendig im Herzen zu haben. Und da alle zwei Wochen der gesamte Psalter in der wunderschönen (und tatsächlich von einer Schwester gegenderten) Grail Übersetzung gesungen wurde, sind dort auch etliche Psalmen natürlich schon längst verinnerlicht.

Und ich war ja über die Fastenzeit da, also im Lent, und diese Passionszeit war sehr, sehr spürbar. Ich hatte ja keinen Vergleich und dachte ehrlich, dass es vielleicht immer so ist im Kloster. Diese wunderschönen, aber auch sehr tief gehenden Melodien der Psalmengesänge, die vielen Predigten zu Passionsthemen, die generelle Zurückgezogenheit und beinahe gedrückte Stimmung der Schwestern.

Aber ich muss auch ehrlich gestehen, dass ich selbst sehr daran beteiligt war, dass ich mich auch zwischendurch sehr einsam gefühlt habe. Ich habe trotz des Theologiestudiums und meines Wissens, dass Menschen in Würdengewändern auch nur Menschen sind und Talare oder Schwesterntrachten manchmal auch einfach nur Kleidung sind, einen riesigen Respekt vor den Schwestern gehabt. Sie waren für mich tatsächlich zwischendurch richtig heilige Menschen, mit denen ich sehr vorsichtig und höchst ehrfürchtig umgegangen bin. Dadurch fand ich nicht gut menschlichen Anschluss und habe wenig von mir oder meinen Gefühlen erzählt. Es war aber auch eine Distanz und Trennung spürbar, eben weil ich durch die Arbeit im Gästehaus wenig, bis gar keinen Kontakt zu Schwestern hatte, die nicht dort waren.

Mit der jüngsten Schwester dort, die nur wenige Jahre älter ist als ich, habe ich mich am allerbesten verstanden. Nicht nur unsere Altersnähe, auch der Fakt, dass sie nach einem Erasmusjahr in Deutschland deutsch sprechen konnte, waren so wunderbar für mich und es war immer wieder eine große Freude, mit ihr reden zu können. Bei ihr habe ich mich auch getraut alle meine Fragen zum Kloster, zur Liturgie, zur katholischen Kirche und den Abläufen zu stellen. Aber was ich am Anfang auch nicht verstanden habe, bzw. wovon ich irritiert war: die Hierarchie! Die Schwester ist eine „junior professed Sister“, das heißt sie legt momentan noch jährlich ihre „vows“ ab, bevor sie lebenslang in die Gemeinschaft und den Orden aufgenommen wird. Sie hat also auch noch eine „vorgesetzte“ Schwester und musste jedes Mal fragen, wenn sie mit mir spazieren gehen wollte. In den sieben Wochen haben wir es (nur) drei Mal geschafft, auch weil sie unfassbar viel zu tun hatte mit ihrem Unterricht und der Vorbereitung der Osterliturgien (sie war im Liturgy Department).

Ein sehr besonderer Aspekt war für mich die Begegnung mit den Gästen. Auch das war manchmal schwer, wenn ich mich zu gut mit Menschen verstanden habe, die dann wieder abgereist sind (die allerersten zehn Tage meines Aufenthaltes war ein Engländer da, mit dem ich eine tiefe Verbundenheit gespürt habe. Er hat mich quasi als Enkeltochter adoptiert und ich war sehr traurig, als er schließlich abreisen musste). Aber insgesamt war es so bereichernd all die verschiedenen Gäste zu erleben! Die allermeisten waren weit über 50 Jahre alt, und alle verband eine große Liebe zu den Schwestern und dem Kloster, und die Suche nach Ruhe und einem Wiederauftanken von Kraft oder ein bisschen Abstand von ihrem stressigen Alltag oder irgendwelchen Problemen.

Durch die Gäste habe ich auch ein Gefühl für Irland bekommen, weil sie auch liebend gerne über sich als das irische Volk gesprochen und mir erzählt haben, wie sehr Ir*innen es lieben, in Kontakt zu treten oder sich verbunden zu fühlen, weil sie über drei Ecken immer gemeinsame Menschen kennen (was tatsächlich der Fall war! Das habe ich oft genug bei Gesprächen erlebt). Und vor allem diese tiefe Spiritualität und Mystik, die sehr geschätzt wurde. Zumindest in der Bubble an Menschen, die dort ins Kloster kamen. Sie haben mir dann auch sehr viel irische Mystik empfohlen, die jetzt auf meiner to-read-Liste steht.

Doch was für mich wirklich die Mystik ausgemacht hat (neben den wunderschönen kleinen Ausfahrten in die Dörfer rundherum, die ich mit einem Fahrrad der Schwestern machen durfte), war dann die Osterfeier. Unfassbar! Ostern ist das wichtigste Fest des Christentums, das wusste ich vorher schon, aber da im Kloster habe ich es auch gespürt. Da wurde das Leben gefeiert! Da war die pure Freude über die Auferstehung, über den Sieg über den Tod da. Die Kirche war vollgepackt mit wunderschönen großen Blumengestecken und in der Ostervigil in der Nacht waren ganz viele Kerzen an, es gab ein Osterfeuer und dann ganz viele besondere Gesänge und Gebete. Eine große Ehre für mich, dass ich auch einen Psalm singen durfte! Und die Freude danach, als wir da nachts saßen und Kuchen aßen und Tee tranken und plötzlich ich von allen Seiten umarmt wurde, das hat alle vorherige Einsamkeit wieder wettgemacht.

Ich habe so viel in den sieben Wochen gelernt! Diese Mischung von Weltverbundenheit und Abgeschiedenheit, die Macht von Gebeten, die innige Beziehung zu Gott, Zeitplanung, die wirklich relevanten Dinge im Leben, irische Köstlichkeiten, allein sein können, die Zeiten zu reden und zu schweigen, und tausenderlei mehr. Ongoing process.

Auch jetzt noch, wenn ich Briefe aus dem Kloster bekomme, scheint ein Stück von dem Frieden und der Ruhe, die ich dort erleben durfte, in mein Marburger Studileben hinein. Ein Segen. <3

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