Die Schöpfung, der Anfang, der Ursprung von allem hat seit jeher verzaubert: die alten Meister versuchten in ihren Gemälden, einen Teil des Geheimnisses der Erschaffung der Welt zu erspüren; große Komponisten – am bekanntesten wohl Haydn – wollten die Töne sprechen lassen, um die Schöpfung für die Menschen greifbar, verstehbar zu machen. Auch die Bibel thematisiert dieses Ereignis auf vielfältige Art und Weise: neben den zwei voneinander abweichenden Schöpfungsberichten als Wort- (Gen 1) und Tatschöpfung (Gen 2), stimmen die Psalmen zum Lob der Schöpfung an, zugleich bleibt die Sintflut-Erzählung (Gen 9) und die Erinnerung daran als Mahnung der Endlichkeit alles Geschaffenem bestehen.
Sprachlich drückt sich im hebräischen Wort ברא (bara), das der viel gemalte und besungene Sieben-Tage Schöpfungsbericht verwendet und das die Psalmen wieder aufnehmen (Ps 104), die eine besondere Form des Erschaffens, des Bauens aus, die Gott* allein vorbehalten ist.
In jedem Gottesdienst loben wir im apostolischen Glaubensbekenntnis Gott* als Schöpferin allen Lebens, wir Menschen, die auch Teil der Schöpfung, gottgeschaffene Wesen sind. Schon früh war Gläubigen klar, dass Gott* in ihrem Werk zu erkennen ist, sich in ihrer Schöpfung zu erkennen gibt. Aber welche Konsequenz hat das für unser Sein in und als Schöpfung?
Begreift sich der Mensch selbst, wie in der Geschichte häufig fälschlicherweise gedacht, als „Krone der Schöpfung“, wird die Schöpfung zur bloßen Umwelt degradiert, es ist bloß das zu bebauende Land, die zu beherrschenden Tiere. Wenn wir aber nun glauben, Gott* selbst in ihrer Schöpfung zu erkennen, bedeutet das, dass wir nicht bloß von Umwelt umgeben sind, sondern dass wir dazu aufgefordert sind, mit allem und jedem um uns herum in Beziehung zu treten, da wir im Geschaffen-Sein einen gemeinsamen Ursprung haben. Mehr noch: durch unser Leben in der Welt, in der Schöpfung treten wir in Beziehung zu Gott*.
Daher forderte Dorothee Sölle uns Menschen auf, als Mitschöpfer*innen aktiv zu werden. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde. Im Arbeiten zeigt sich unsere Gottähnlichkeit, denn auch wir müssen nach der Arbeit ruhen, erfahren am Sabbat, am Ruhetag, die Würde der Arbeit und setzen in unserer Arbeit Gottes Werk fort. Gibt sich Gott* in ihrem Werk zu erkennen, muss sich auch der Mensch in seiner Arbeit selbst ausdrücken und zur Versöhnung mit der Natur beitragen. Diese Kriterien sinnerfüllter Arbeit, den Menschen in seinem Arbeiten zur Verantwortung zu ziehen, meint dabei nicht nur die ökologische Dimension, die in den letzten Jahren an Brisanz noch immens gewonnen hat, sondern Sölle verstand und erläuterte den Begriff der Mitschöpfer*innen vor allem theologisch. Zum einen wegen der gelebten Gottähnlichkeit, zum anderen, weil der Mensch den Garten Eden nicht nur bebauen soll; das hebräische Wort עבד heißt „dienen“ und diese Bedeutung zeigt die gottgewollte Beziehung zwischen Mensch und Natur auf: der Mensch soll die Schöpfung fortsetzen, der Natur dienen. Nur wenn wir in einer lebendigen Beziehung zu dem Geschaffenen stehen, können wir an der Schöpfung partizipieren und sie loben.
Wenn ich meinen Glauben zu Gott* als Schöpferin bekenne, dann denke ich an die Schönheit der Schöpfung, den Duft von Frühling, das laute Zirpen der Grillen, an Lagerfeuer und das warme Gefühl von Sonne auf meiner Haut, und ich denke an einen Satz von Sölle: Die Schöpfung ist unvollendet, und Gott* braucht uns in der Geschichte, sie zu vollenden. Noch ist sie ein ‚work-in-progress‘.
Weil die Schöpfung durch uns weitergeht, ist Gott kein alter Mann auf einer Wolke, der einmal geschaffen hat und sich nun zurücklehnt, sondern „Beziehungskraft“, die durch handelnde Menschen wirksam wird und bleibt.